Unterwegs auf steilen Pfaden
Dolomiten: Reise-Reportage einer E-MTB-Tour durch das UNESCO Welterbe
in Service
Die Wetteraussichten für die nächsten Tage sind gut und wir starten zum Aufwärmen von Toblach auf das Markinkele. Albert, der Local Guide hat die Runde erarbeitet und begleitet uns eine Woche durch seine Heimat. Der Panoramaberg liegt nördlich von Toblach und ist ein Ausläufer der Dolomiten. Nicht besonders steil geht es immer bergauf. Durch das Silvestertal, an der Silversteralm vorbei stets bergan auf dem schier nicht endend wollenden, alten Militärweg. Der Motor tut gut und schiebt uns Kehre um Kehre weiter nach oben.
Nach etwas über 1200 Höhenmetern am Stück sind wir am höchsten Punkt angelangt und einen Teil des „Stoneman Dolomiti“ gefahren, erzählt Albert. Mindestens so fantastisch ist die Aussicht: Ein Rundum-Panorama mit den bekannten Größen wie Großvenediger und den 3 Zinnen. Von hier sehen wir das Gebiet, welches wir die nächsten Tage durchqueren wollen. Es lässt sich erahnen: So entspannt wie heute wird es nicht mehr. Wir rollen den Bergrücken runter in Richtung Osttirol. Durch das Skigebiet Hochpustertal und über einen schmalen, teils steilen Trail nach Sillian. Von dort geht es auf dem Radweg zurück nach Toblach.
Die schroffe Seite der Dolomiten
Der zweite Tag führt uns in südlicher Richtung am Toblacher See vorbei. Die Sonne lässt sich nur kurz oder gar nicht blicken und so ist es deutlich frisch. Hinter dem Dürrensee tauen wir wieder auf, als der Anstieg auf die Plätzwiesen beginnt. Hier zeigen sich die Dolomiten mit ihrem schroffen Gestein: Geröll und größere Steine bestimmen den Weg. Bis zur Dürrensteinhütte sind wir fast alleine unterwegs, dann wird es deutlich voller. Unzählige Wanderer tummeln sich auf dem Weg zum Strudelkopf. Die Italiener haben noch Ferien und die Dolomiten entdeckt, schmunzelt Albert.
Außerdem gibt es einen Parkplatz unweit der Hütte. Der letzte Anstieg zum Gipfel ist ein breiter, ausgebauter Trail – perfekt mit dem E-MTB zu fahren. Am Gipfelkreuz sind wir nicht allein, denn alle wollen den fantastischen Blick auf die 3 Zinnen genießen. Wir fahren im Wanderer-Slalom den Gipfeltrail zurück und machen Mittagspause am Berg-gasthof Plätzwiese. Wie bei vielen Hütten und Gasthäusern in der Region steht eine Ladestation für E-Bikes zur Verfügung. Vorbildlich hat sich diese Gegend auf die neuen Sportler eingestellt.
Ein Knödeltris ist typisch für diese Region und kommt gerade recht. Nachmittags führt uns ein schöner Trail ins Pragser Tal. Hier würde es sich lohnen den berühmten Pragser Wildsee zu besuchen – aber außerhalb der Ferien: Der Andrang auf das Naturdenkmal hat seit Instagram derart zugenommen, dass die Gemeinde eine Zufahrtsbeschränkung verhängt hat. Außerdem fängt es an zu tröpfeln und so rollen wir gemütlich über den Radweg nach Toblach zurück und erreichen gerade noch trocken das Hotel.
Ins Herz des Naturparks
Tag 3 fahren wir ins Herz des Naturparks, am Toblacher See vorbei in südlicher Richtung. Kurz vorm Lago Bianco zweigen wir ab. Eine Forststraße führt erst angenehm, später mit sehr steilen Rampen bergauf. Jetzt spüren wir, warum der erste Tag noch „nicht wirklich in den Dolomiten war“. Zum Glück haben wir unsere Motorunterstützung. Das Ladegerät hat für diese Rundtour einen festen Platz im Rucksack und der Blick geht immer auf den Ladestand – das Akku-Management wird immer wichtiger. Eine kurze, aber schöne Abfahrt führt über einen breiten Trail ins Ra Stua – ein kleines Hochtal.
Es folgt eine weitere Auffahrt mit „steilen Rampen“, so der Local. Es wird steil, sehr steil und noch steiler. Rampen mit 21 Prozent und mehr kosten nicht nur Körner in den Beinen, sondern auch Prozente im Akku. Mit Eco oder Tour kommt man hier nicht weiter. Der E-MTB-Modus muss her. Zum Glück sind die Mittagspause und eine Steckdose nahe. Wir befinden uns mitten im Sennes Nationalpark. Ein Teil des Naturparks Fanes-Sennes-Prags (ebenfalls UNESCO Welterbe der Dolomiten). Die Senneshütte liegt traumhaft in diesem großen Kessel. Atem(be)raubend ist in den Dolomiten nicht nur das Bergauf, sondern auch das Panorama auf die umliegenden Gipfel.
Mensch und Maschine laden auf
Ringsum Berge. Hier könnte man stundenlang auf der Terrasse sitzen bei Kaiserschmarrn & Co. Wir nutzen die Zeit auf der Senneshütte auch ausgedehnt, um alle Akkus von Mensch und Maschine aufzuladen. Hier stößt Armin zu uns. Er ist Bike Guide aus San Vigilio, dem ladinischen Teil der Region um den Kronplatz. Nur etwa 30.000 Ladiner sprächen noch diese alte, romanische Sprache, erzählt er und bestellt auf Ladinisch.
Sie wird an Schulen unterrichtet und im Alltag gesprochen. Eine schöne Art der Heimatverbundenheit. Die Abfahrt nach Pederü ist mindestens genauso steil wie der Weg aufwärts: Erst noch ein kleiner Trail, später auf der Fahrstraße über groben Schotter, rollen wir hinunter. Einige Stellen haben 22 Prozent Gefälle, ruft Armin. Lieber runter als rauf, denken wir uns.
Wunderbar abgeschieden
Jetzt zeigt sich, wie wichtig es war die Akkus zu laden. Denn wir müssen nochmal etwa 600 Höhenmeter und acht Kilometer nach Fanes rauf – Schotter pur. Mit den letzten Sonnenstrahlen genießen wir unser wohlverdientes Feierabendgetränk auf der Terrasse der Faneshütte. Den Ausblick muss man erlebt haben.
Es ist traumhaft hier oben und wir freuen uns auf eine Nacht in der Hütte. Wobei Hütte hier eher Hotel heißen müsste: Bis auf Duschen und WC auf dem Gang checkt jeder Gast in sein eigenes Zimmer mit TV ein. Ob man einen Fernseher angesichts eines solchen Panoramas braucht, bleibt fraglich. Immerhin gibt es – außer WLAN im zweiten Stock – auch kein Netz hier oben. Wunderbar abgeschnitten zur Außenwelt in dieser einzigartigen Bergwelt.
Blick auf die Marmolada am Horizont
Eine ruhige Nacht auf 2060 m liegt hinter uns. Gut gestärkt von einem reichhaltigen Frühstücksbuffet, schwingen wir uns bei blauem Himmel und Sonnenschein auf die Sättel. Es geht kurz bergauf über den Passo di Limo zum Limosee. In leichtem Auf und Ab schlängelt sich der Weg durch das große Fanestal – ein wunderschönes Hochtal. Später mit Blick auf die Marmolada am Horizont. Zur Linken sind die Felswände des Lagazuoi-Gipfels zu erkennen.
Vom Col de Locia zum Capanna Alpina ist schieben angesagt: Mal wieder steil bis sehr steil geht es über Stufen abwärts. Nach einer halben Stunde zu Fuß ist der Weg wieder fahrbar. Dann folgt eine steile Rampe der nächsten. Ich habe das Gefühl senkrecht die Wand des Heiligkreuzkofel hoch zu treten, dabei sind es „nur“ wieder knapp über 20 Prozent Steigung, zeigt das Navi an. Es folgt ein Trail in leichtem Auf und Ab.
Wäre er nicht so ruppig und teilweise technisch, könnte fast ein wenig Flow aufkommen. Den letzten Flow allerdings zerstört ein Zischen an meinem Hinterrad. Kein Wunder bei dem Geröll. Platt – und das in Sichtweite zur Hütte. Es hilft nichts und wir wechseln den Schlauch. Der Platz rund um die Wallfahrtskirche Heiligkreuz mit Heiligkreuzkofel im Hintergrund ist ein beliebtes Wanderziel. An der sogenannten Schutzhütte Hl. Kreuz werden Wanderer und Biker gleichermaßen mit regionalen Köstlichkeiten verwöhnt.
Im diesem Teil der Dolomiten ist es anspruchsvoll
Endspurt für heute: Es geht entspannt bergab über saftige Wiesen und schöne Trails. Noch ein kurzer, steiler Uphill und dann nur noch runter. „Nur“ ist relativ in diesem Teil der Dolomiten und so wird der letzte Trail nochmal anspruchsvoll. Nicht nur 31 Prozent Gefälle in der Spitze lassen das Hinterrad rutschen, sondern auch der völlig durchnässte Waldboden. Eine Rutschpartie, auf die man verzichten hätte können.
Die Entschädigung für die Plackerei: Wir sind schon früh am Hotel in San Vigilio und können den Pool und Wellness-Bereich ausgiebig genießen. Auch die Zimmer und das Essen sind ein Traum. Eine gute Basis für unsere letzte Etappe, denn das Frühstücksbuffet sucht seinesgleichen. Wir lassen uns ausgiebig Zeit an diesem Morgen.
Geshapte Trails am Kronplatz
Der fünfte und letzte Tag der Dolomiten-Runde begrüßt uns mit blauem Himmel und Sonnenschein. Es wird ein warmer Tag. Die 600 Höhenmeter in der Morgensonne zum Furkelpass sind daher ordentlich schweißtreibend. Zum Abschluss der Woche wollen wir ein Zuckerl einbauen: die Trails am Kronplatz. Wir gönnen uns die Fahrt mit der Ruis Bahn auf den Kronplatz und fahren den knapp fünf Kilometer langen Furcia Trail.
Super geshapte Anliegerkurven lassen jedes Bikerherz höher schlagen. Weil es so schön war, nehmen wir noch den Gassl Trail nach Olang mit. Der ist zwar fast neun Kilometer lang und recht kräftezehrend, dafür sind wir dem Ziel ein Stück näher. Über den schönen Panoramaweg oberhalb von Olang biken wir entspannt zurück nach Toblach. Geschafft: Wir sind glücklich und voller Eindrücke nach fünf Tagen Dolomiten-Runde am Ausgangspunkt unserer Tour zurück. Eine Challenge in einem der schönsten Gebirge der Welt liegt hinter uns – wunderschön steil.